Isa Rosenberger

7. – 24. Februar und 1. August – 30. September 2022
Haus Schlemmer
// Einladung //
Isa Rosenberger lebt und arbeitet in Wien. Sie studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien und an der Jan van Eyck Akademie in Maastricht. Außerdem lehrt sie als Senior Lecturer an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Isa Rosenbergers recherchebasierte künstlerische Praxis richtet den Blick auf alternative Lesarten von Geschichte und legt stumme, unterdrückte, verlorene oder vergessene Geschichte(n) frei. In ihren Projekten reflektiert sie – vielfach aus einem feministischen Blickwinkel – generationenübergreifende Wissensformen, persönliche Geschichten und Diskurse, die über mitunter große geographische Distanzen und Zeiten hinweg migrieren. Sie bringt unterschiedliche Kontexte, persönliche Erfahrungen und makropolitische Strukturen in nachvollziehbare Zusammenhänge und aktiviert vermeintlich zeitlich oder räumlich auseinander liegende Ereignisse in unserer Gegenwart.
Sie hat ihre künstlerischen Arbeiten international in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt, Einzelausstellungen waren u.a. in der Camera Austria in Graz, in der Bergen Kunsthall, im Skirball Cultural Center in Los Angeles, im Grazer Kunstverein, im Edith-Russ-Haus für Medienkunst in Oldenburg und in der Secession Wien zu sehen. Im Jahr 2008 erhielt sie den Otto Mauer Preis und 2012 den Outstanding Artist Award für Video- und Medienkunst.


Sie sind dieses Jahr zum zweiten Mal in Dessau. Wie war Ihr erster Aufenthalt im Haus Schlemmer?
Mein erster Aufenthalt war im Februar und dann wieder im August und September 2022. Ich hatte also das Glück, das Haus Schlemmer zu zwei verschiedenen Jahreszeiten zu erleben. Alle Jahreszeiten haben ihre eigenen Vorzüge, aber ich finde im Sommer entfaltet das Haus erst so richtig seine Qualitäten. Terrasse und Balkon werden zu erweiterten Wohnräumen, die vielen verschiedenen Blickperspektiven in den Garten, dazu der intensive Geruch der Kiefern: Innen und Außen gehen ineinander über.
Wie fühlt es sich an, ein ganzes Kulturerbe zu bewohnen?
Es ist schon etwas sehr Besonderes. Wenn ich morgens das große, schöne Atelier betrete, empfinde ich Freude. Ich fühle mich inspiriert. Für mich ist Erinnerungspolitik auch künstlerisch interessiert. Eine Freundin hatte mich besucht, wir saßen spätabends bei einer Flasche Wein im Speisezimmer – und wir haben uns vorgestellt, wie vor fast 100 Jahren all die aus der Kunstgeschichte so vertrauten Namen und Personen genau hier saßen, debattiert haben, ihre legendären Partys gefeiert haben und durch die Räume tanzten. In so einem von Geschichte aufgeladenem Raum wird die Vergangenheit auf einmal sehr gegenwärtig.
Der Denkmalschutz verlangt gewisse Einschränkungen im Umgang mit dem Gebäude. Vor allem, wenn man darin wohnt. Wie fühlen Sie sich mit dieser Tatsache?
Natürlich bewege ich mich mit einer gewissen Ehrfurcht durch so ein Gebäude. Es wird einem bewusst, was für ein Glück es ist, dass so vieles im Originalzustand überdauern konnte. Skurril ist die Tatsache, dass ich selbst ein bisschen zum Ausstellungstück werde, wenn neugierige Tourist*innen bei offener Terrassentür mir bisweilen bis in die Küche folgen. Aber ich habe Verständnis dafür, denn ich bin selbst auch sehr neugierig.
Woran haben Sie die letzten Wochen im Haus Schlemmer gearbeitet?
Anknüpfungspunkt für mein filmisch-installatives Projekt Manda sind die Auftritte zweier Frauen am Bauhaus Dessau im Jahr 1928: der Tänzerin und Choreografin Manda von Kreibig, die mit Oskar Schlemmer den Stäbetanz am Bauhaus entwickelte, und der Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Lu Märten (Die Künstlerin, 1919). Märten ermutigte schon ab 1914 Frauen, sich den gesellschaftlichen Hemmnissen ihres künstlerischen Tuns bewusst zu sein und selbstbestimmt zu agieren. In Manda beschäftige ich mich mit Geschichte, die abbricht, nicht weitererzählt wird, und mit Lebenslinien, die abbrechen und woanders wieder aufgenommen werden.
Als Drehort habe ich mich für die Depots der Stiftung Bauhaus Dessau entschieden: Denn einerseits wird dort jenes gesammelt, was wert erscheint, aufgehoben zu werden, andererseits sind Depots aber auch Ort des Vergessens, wo Dinge vielleicht jahrzehntelang verstauben. Und es ist auch der Ort, der für all das steht, was nicht gesammelt wird – und das ist historisch gesehen oft die Kunst von Frauen und die performative Kunst. Für Manda habe ich mit der Tänzerin Celia Millan zusammengearbeitet: Das Depot selbst wird zur Bühne der filmisch-tänzerischen Annäherung an zwei fast vergessene Kulturschaffende und an eine lückenhafte Geschichtsschreibung. In der Schluss-Szene ist es Celia Millan, die sich im Besprechungsraum des Depots vor einer Projektion einer historischen Fotografie von T Lux Feininger, die Manda von Kreibig beim Stäbetanz zeigt, dem Stäbetanz im Nachvollzug annähert. Der Titel Manda bezieht sich aber nicht nur auf Manda von Kreibig, sondern bedeutet im Spanischen auch Vermächtnis, Legat oder Versprechen. Damit wird deutlich, dass die Auseinandersetzung mit Vergangenem immer auch ein gesellschaftlicher Auftrag der Verstorbenen an die Lebenden ist. Auf der historischen Bauhausbühne gedrehte Statements von Regina Bittner, Kulturwissenschaftlerin, Kuratorin und Leiterin der Akademie der Stiftung Bauhaus Dessau, und Barbara Steiner, Kunsthistorikerin, Kuratorin und Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, ergänzen die Installation.