Bauhaussiedlung Dessau–Törten (1926–28)
Walter Gropius

Während der Weimarer Republik gab es einen erheblichen Mangel an erschwinglichem Wohnraum. Öffentliche Anstrengungen mussten für Abhilfe sorgen, dabei sollten Wohnungen entstehen, die Licht, Luft und Sonne einlassen und für eine große Bevölkerungsschicht bezahlbar waren. So entstand im Auftrag der Stadt Dessau und im Rahmen des Reichsheimstättengesetzes die Siedlung Törten. Die Siedlung war vom Bauhaus als Lösung für einen preisgünstigen Massenwohnungsbau konzipiert worden.
Die von Walter Gropius entworfene und in drei Bauabschnitten errichtete Reihenhaussiedlung umfasste 314 Reihenhäuser mit Wohnflächen von 57 bis 75 m2. Alle Häuser verfügten über Nutzgärten mit einer Fläche von 350 bis 400 m2, zur Selbstversorgung durch Gemüseanbau und Kleintierhaltung.
Industrielle Fertigung
Die Häuser erbaute man in verschiedenen Varianten. Im Rahmen eines Versuchsprogramms wollte die Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen herausfinden, wie man Wohnbauten rational herstellt. Auch die Eignung neuer Baustoffe und Industrieprodukte sollte getestet werden. Die Baustelle wurde wie eine industrielle Taktstraße organisiert. Spezialisierte Arbeitsbrigaden bauten gleichzeitig mehrere Häuser in einem Bauabschnitt. Dabei fertigte man vor Ort Bauteile, wie z. B. Rapidbalken aus Beton, die man mit einer kleinen Bahn transportierte und mit Kränen bewegte.
Kostengünstige Lösungen
Die hellen Kuben wurden spiegelbildlich zu Doppelhäusern und zu Gruppen von vier bis zwölf Einheiten zusammengefasst. Die Fassaden waren durch vertikale und horizontale Fensterbänder gegliedert. Die Konstruktion der Häuser unterlag der Notwendigkeit kostengünstig zu bauen. Tragende Wände sind aus vorgefertigten Schlackenbetonhohlkörpern errichtet, die Decken wurden aus armierten Stahlbetonträgern hergestellt. Für das Innere verwendete man helle Farben. Das Bauhaus bot auch Möbel für die Einrichtung an, die aber keine Abnehmer fanden.
Historische Substanz
Dass von der ursprünglichen Einheitlichkeit der Siedlung heute nur noch wenig zu spüren ist, liegt an Bau- und Planungsmängeln, die von Eigentümer*innen und Bewohner*innen beseitigt wurden. Nur die zu hoch gelegenen Fensterbänder veränderte man noch nach einem einheitlichen Plan. Originalgetreu wiederhergestellt wurde 1992 als erstes das Haus am Mittelring 92. Es wird heute von der Moses-Mendelssohn-Gesellschaft genutzt und kann genau wie das Haus am Kleinring 5 besichtigt werden. Seit 1994 sorgt eine Erhaltungs- und Gestaltungssatzung dafür, dass bauliche Maßnahmen mit der historischen Substanz in Einklang gebracht werden.
Walter Gropius' Konsumgebäude aus dem Jahr 1928 bildet heute den Einstieg in die Siedlungsgeschichte. Eine Dauerausstellung informiert hier über Idee und Vision, Baugeschichte und Bewohner*innen. Gefördert wird die Ausstellung vom Kreis der Freunde des Bauhauses e. V.