Stahlhaus

Das Stahlhaus entstand im Auftrag der Stadt Dessau und wurde im Frühjahr 1927 fertiggestellt. Es befindet sich ein wenig zurückgesetzt am oberen Ende einer Doppelhausreihe in Dessau-Törten.

Konstruktion

Georg Muche und Richard Paulick arbeiteten für ihr experimentelles Haus mit der Leipziger Tresorbaufirma Carl Kästner AG zusammen. Auf eine Stahlskelett-Tragkonstruktion wurden drei Millimeter dicke Stahltafeln als Außenwand montiert. Zwischen der Innenschicht aus verputzten Schlackensteinen und der Metallhaut gab es eine Dämmschicht aus Torfoleum, einem Dämmstoff aus Torf. Das Stahlhaus ist gedämmt, aber nicht unterkellert.

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Stahlhaus Dessau, Architekten Georg Muche und Richard Paulick, Anischt von Osten, 1927
© Stiftung Bauhaus Dessau (I 36039/1-2) / Foto: Consemüller, Erich G. Muche und R. Paulick. Stahlhaus Dessau, 1927

Raumprogramm

Der Außeneindruck wird von zwei unterschiedlich hohen, ineinander geschobenen Baukörpern bestimmt, sodass sich verschiedene Raumhöhen ergeben. Die Decken des Wohnzimmers und eines Schlafzimmers sind erhöht. Die Türen sind in den niedrigeren Bereichen raumhoch, ebenso die Fenster. Kleinere, kippbare Rundfenster verleihen dem Stahlhaus – neben seiner Materialität – ein futuristisch anmutendes Aussehen.

 

Mit fast 90 Quadratmetern Wohnfläche übertrifft das Stahlhaus flächenmäßig die Siedlungshäuser des Büros von Walter Gropius. Muche entwarf später für seine Metalltypenhäuser auch farbige Varianten. Das Stahlhaus in Dessau dagegen ist außen in Grau, Weiß und Schwarz gehalten. Innen wirkt es mit seinen Holztüren und seinem roten Steinholzestrich hell und freundlich.

 

Ursprünglich sollten verschiebbare Innenwände es möglich machen, die Räume den jeweiligen Wohnbedürfnissen der Bewohner*innen anzupassen. Aufgrund mangelnder finanzieller Mittel wurde stattdessen ein unveränderbares Haus gebaut.

„Der Raum als Membran“

Das kostengünstige Metalltypenhaus sollte mit geringem Material- und Arbeitsaufwand errichtet werden können. Neben Fragen zur seriellen Produktion von Bauelementen ging es vor allem darum, Wetterschutz, Wärmeisolierung, Schallsicherheit, Abdichtung und Austauschbarkeit zu berücksichtigen. Einen wichtigen theoretischen Impuls setzte dabei die 1926 veröffentlichte Schrift „Der Raum als Membran“ von Siegfried Ebeling, einem Mitarbeiter der Hausbauforschung der Firma Junkers. In seiner Zukunftsvision versteht Ebeling das Haus als einen Organismus, eine Zelle, und auch „als seine eigene Energiequelle“. Dies nimmt die Idee einer sich selbst versorgenden Architektur vorweg.

Andere Stahlhäuser

Das Stahlhaus von Georg Muche und Richard Paulick steht in Zusammenhang mit zeitgleichen Versuchen, standardisierte und modular angelegte Metallhaus-Bausysteme zu entwickeln. Diese Grundlagenforschung mündete in zahlreiche Entwürfe für Metallhaustypen und Patente für Paneelbauweisen. Umgesetzt wurden allerdings nur wenige Prototypen. Dazu gehören neben dem Haus von Muche und Paulick die Kupferhäuser der Firma Hirsch Kupfer- und Messingwerke AG und die Stahlblechhäuser der Junkers-Werke. All diese Häuser sollten kostengünstig und mit wenig Material- und Arbeitsaufwand zu errichten sein.

 

In der Zeit, als Hannes Meyer Direktor des Bauhauses war, griff Philipp Tolziner Pläne zur Erweiterung der Siedlung Dessau-Törten mit Stahlhäusern auf. Dieses Vorhaben wurde nicht umgesetzt. Das Stahlhaus von Muche und Paulick blieb das einzige seiner Art in der Siedlung.

 

Bis in die 1980er-Jahre war das Stahlhaus bewohnt, es wurde 1976 sowie 1993 denkmalgerecht restauriert und 2021 bis 2023 grundlegend saniert.