5 Fragen an die Kulturwissenschaftlerin
Dr. Regina Bittner

Erneut wurden 2016 junge Architekt*innen, Designer*innen, Kulturwissenschaftler*innen und Kurator*innen eingeladen, über drei Monate am Bauhaus in Dessau gemeinsam zu forschen. Das Programm richtet sich international an junge Berufsanfänger*innen, die gerne im Kollektiv vertiefend arbeiten.

Das Bauhaus Lab 2016 setzte sich mit dem Thema der Migration am Bauhaus auseinander. Ausgangspunkt war der Schreibtisch von Walter Gropius, der den Gründer des Bauhauses an jeden seiner Exilorte begleitete.

Der Schreibtisch von Walter Gropius. Schon eine eher ungewöhnliche Idee, einen Schreibtisch in den Mittelpunkt eines architektur- und designtheoretischen Forschungsprogrammes zu stellen. Wie entstand die Idee?

Die meisten Objekte, die sich heute in unserer Sammlung befinden, haben lange, globale Wanderungen hinter sich, was auf die turbulente und dramatische Geschichte und Rezeption des Bauhauses im vergangenen Jahrhundert zurückzuführen ist. Der Freischwinger von Mies van der Rohe steht bis heute in der Wohnung des Sohnes des Bauhausschülers Chanan Frenkel in Tel Aviv. Dahinter findet sich eine Geschichte, die von Umzug, Flucht und Ankommen erzählt. Für mich ist es wichtig, dass wir Bauhausobjekte nicht nur auf einen Sockel im Museum als Designikonen präsentieren, sondern auch die Geschichten dazu erzählen. So entstand die Idee, im diesjährigen Lab den Bewegungsspuren des Schreibtisches von Walter Gropius nach zugehen.

lab_irb_01_schreibtisch_.jpg
lab_irb_praesentation_lab_20131115_0072.jpg
lab_irb_praesentation_lab_20131115_0079.jpg
lab_irb_dr_regina_bittner.jpg

Wie arbeitete das Lab methodisch? Was kam auf die Teilnehmer zu?

Das dreimonatige Programm hat mehrere Phasen: Wir beginnen damit, den Schreibtisch in der Bauhausgeschichte zu verorten, das schließt Vorträge, Seminare zur Geschichte des modernen Interieurs, zu Bauhausforschungstexten und Archivbesuche ein. Wie wurde der Schreibtisch hier beschrieben und verhandelt? Von da unternehmen wir theoretische Exkursionen in die kulturwissenschaftlichen und kulturanthropologischen Debatten zur Rolle der „Dinge“ und Materialien.

Bevor wir uns selbst nach London und New England auf die Reise begaben, wurden die jeweiligen Beobachtungsverfahren und Rechercheinteressen in der Gruppe entschieden. Die Exkursion hat dann Ende Mai stattgefunden, das schließt Archivbesuche, Interviews und Film- und Fotodokumentationen ein. Zurück in Dessau haben wir das Material sortiert und in Workshops aus der Recherche das kuratorische Konzept entwickelt. Daraus wurde eine Pocket-Ausstellung für das Vorzimmer des Direktorenzimmers erarbeitet, die zum Abschluss des Labs eröffnet wurde.

Migration ist ein hochaktuelles Thema. Gab es Bezüge zwischen dem historischen Forschungsfeld und der zeitaktuellen Situation?

Was nimmt man mit, wenn man das zu Hause verlassen muss? Eine Migrationsgeschichte des Bauhauses anhand dieses sperrigen Möbels ist kaum vergleichbar mit den aktuellen Nöten derjenigen Menschen, die heute auf der Flucht sind.

Dennoch, das Bauhaus heute als Migrant zu beschreiben, das in der kurzen Phase seines Bestehens gerade auch deshalb so enorm produktiv und innovativ war, weil es trotz des harscher werdenden nationalistischen Klimas in den 1920er Jahren es ausgehalten hat, kosmopolitisch zu bleiben, das mag für heute wieder ein Lehrstück sein. Damit haben wir es als kulturelles Erbe der internationalen Moderne vorgestellt, das gerade aus dem Austausch und der Begegnung der Kulturen und nicht durch Abschottung und Ausschluss seine Impulse, seine Lebendigkeit und seine Strahlkraft bezog.

Das Lab ist ein international ausgeschriebenes, englischsprachiges Programm.
Woher kommen die Teilnehmer und sind es vor allem Architekten?

Das Lab ist ein Programm, das sich an Architekten, Designer, Kuratoren, Kunst- und Kulturwissenschaftler richtet und zwar weltweit. In den vergangenen Jahren kamen die Teilnehmer aus Kanada, den USA, China, Portugal, Schottland, Australien, aus Belgien, der Türkei, Spanien und Russland. Also eine ziemlich bunte Mischung und das betrifft auch die Disziplinen.

Das Bauhausgebäude in Dessau gilt als Ikone der Moderne. Wie arbeitet es sich in diesem Gebäude und wie sieht der Alltag der Lab Teilnehmer am Bauhaus aus?

Wir haben das Glück, in einem der schönsten Räume des Gebäudes, der ehemaligen Metallwerkstatt, arbeiten zu können. Das Programm ist recht dicht – in der Anfangsphase geht es vor allem darum gemeinsames Wissen über den zu erforschenden Gegenstand zu erarbeiten. Ich betone „gemeinsam“ denn es geht um einen kollaborativen Prozess in dessen Ergebnis eine Ausstellung entstehen soll. Im Laufe der ersten Wochen schlägt sich dieses Sammeln dann auch an den Wänden nieder, Kopien, Skizzen, Karten, Notizen, die aus den Diskussionen, Seminaren und Recherchen stammen.

Nach der Exkursion wächst dieser Berg an Material noch einmal an, bevor die schwierige Phase des Sortierens, Ordnens und Strukturierens, der Konzeptfindung beginnt. Von hier aus werden dann Ideen für die räumlich gestalterische Umsetzung erarbeitet. Mit acht Leuten zu kuratieren ist immer eine Herausforderung, aber das Ergebnis ist jedes Mal die Mühe wert, denn Ausstellungen sind immer so etwas wie begehbare Hypothesen, die sowohl Erkenntnisse als auch Spekulationen anbieten – so haben auch schon die Bauhäusler in den 1920er Jahren ihre Ausstellungsexperimente verstanden.