Open Studio Manchester

Ver-Lernen mit Studierenden aus der Vergangenheit und der Gegenwart
22 . – 24 . 5 . 2017
Das Open Studio entstand aus unterschiedlichen Unterhaltungen über das Bauhaus als Entstehungsort der modernen Kunstschule und über die Bedeutung seiner pädagogischen Ansätze für spätere Generationen. Da das Lernen über und mit Materialien etwas ist, was zu den Grundlagen des Bauhauses gehörte, entschlossen wir uns, uns auf Materialspuren zu konzentrieren, die neue Möglichkeiten eröffnen könnten.
Im Einklang mit den Vorstellungen des Bauhauses war unsere Prämisse, dass Wissen nicht durch das Aufeinandertreffen von Denkweisen aus vorgeformten Konzepten entsteht, sondern dass es aus unserer beobachtenden Beschäftigung mit der Welt um uns herum erwächst. Bildung ist hier ein Prozess des Entdeckens, der unser Verständnis von der Welt stetig formt, wenn wir neuen Menschen, Orten und Situationen begegnen.
An dieser Stelle wollten wir über die kunsthistorischen Modelle und konventionellen Forschungsmethoden hinausgehen. Unsere Absicht war es, das Lehren am Bauhaus als fortlaufenden Prozess statt als spezielles Curriculum oder Speisekarte der Lehrquellen hervorzuheben. Wir wollten den Bildungs- und Reformperspektiven des frühen 20. Jahrhunderts Leben einhauchen und fragen, welchen Nachhall diese Prinzipien zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft haben. Indem wir einen Ansatz verfolgen, der von uns verlangt zu verlernen, betritt dieses Pilotprojekt den Bereich der Anthropologie, wo man das Bekannte sehen, hören und fühlen soll, als begegne man ihm zum ersten Mal. Das entfernt das Projekt von den derzeitigen Bildungssystemen und -methoden und geht über die kunsthistorischen Interpretationen und Konventionen praxisorientierter Forschung hinaus.
Gastinstitution
Ein Pilotprojekt der Manchester School of Art und dem Projekt KFI (Knowing from the Inside: Anthropology, Art, Architecture & Design) der Universität Aberdeen
Dozentin
Judith Winter (Manchester School of Art)
Eindrücke








Fragen an Judith Winter
An der Manchester School of Art haben Sie ein Pilotprojekt für Studierende geschaffen, die zu einem kurzen Besuch an das Bauhaus Dessau kommen. Welche Pläne hatten Sie für Ihr Studio?
Judith Winter: Ich wollte, dass dieses Pilotprojekt sehr offen ist und dass es Umwege und Zufallsbegegnungen erlaubt, die die Reaktion auf den Ort beeinfussen. Der Kern dieser Erfahrung war die Idee des Verlernens und die Grundannahme, dass Wissen nicht durch vorgeformte Konzepte und Theorien entsteht, sondern aus der praktischen und beobachtenden Beschäftigung mit der Welt um uns erwächst. Hier hoffte ich darauf, die Maßgaben des Vorkurses aufgreifen zu können, der dem Credo folgte, dass „experimentieren bedeutet, die Welt durch Erfahrung zu verändern“ (Jodef Albers, 1941).
Unsere fortlaufenden Diskussionen wurden durch Experimente mit Materialien ausgelöst, die wir an
den verschiedenen Orten vorfanden (Beton, Metalle, Glas, Pigmente, Holz, Triolin usw.). Abends wollten wir eigentlich gemeinsam im Atelierraum arbeiten, aber stattdessen beschlossen wir, uns in dem historischen Gebäude hinzulegen und Aufnahmen von Walter Gropius und Josef Albers aus der Zeit um 1968 zu lauschen. Diese waren nach drei Themenbereichen ausgewählt: Lernen mit Materialien, das Bauhaus als ein offenes und lebendiges Unterfangen und Utopia – eine Botschaft für kommende Generationen.
Während des gesamten Open Studio war es interes sant darüber nachzudenken, wie Geschichte und Zukunft verbunden blieben durch unseren physischen Umgang mit Materialien und unsere Vorstellungs kraft. Die Aktivität ließ die historischen und theoreti schen Fragen zu Bildungsreformen lebendig werden und darüber nachdenken, wie diese in unserer Zeit widerhallen. Viele Studierende stellen das gegenwär tige System infrage, das Theorie und Sprache den Vorzug vor dem Wahrnehmungsvermögen, hapti schem und sensorischem Lernen gibt.
Wie nutzten Sie das diesjährige Thema der Stiftung, Substanz?
Während dieser gesamten Reise sammelten wir neue Fragen, die bei der fortlaufenden Suche und durch unser physisches und sensorisches Verständnis von Räumen entstanden. Unsere Erfahrungen begannen mit realer physischer Substanz, die eine fassbare Präsenz hat.
Wenn ich über Substanz nachdenke, behalte ich auch Josef Albers im Kopf, der seine Studierenden ermahnt hat, den Materialien und den Beziehungen zwischen ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. Das ist so, als stellte die Substanz auch Fragen an den Hersteller. Dabei geht es weniger um das Beherrschen der Materialien als vielmehr um den Dialog mit ihnen. Darum ist die Substanz keine passive Materie, der man Formen und Bedeutung einfach aufdrücken kann. Stattdessen hat jedes Material sein ganz eige nes Leben, das sich ständig formt oder in eine Kon versation eintritt. In unterschiedlichen Situationen verändern sich Substanzen durch neue Gebrauchs weisen, Beziehungen und Wertigkeiten, und sie ver ändern auch den, der mit ihnen umgeht. In diesem Umgang, dem Spielen und Experimentieren, öffnet sich das Leben der Erfahrung und zukünftigen Mög lichkeiten. Hier, so glaube ich, schreibt unser Verständnis von Substanz jenseits der Theorie dem Materialexperiment als bedeutendem Prozess eine neue Rolle zu.