Jahresthema 2017
Substanz

Der Stuhl aus Stahl, der Boden aus Triolin, das Haus aus Stahl, Glas und Beton, das Bühnenstück aus Bewegung, Licht und Schatten. All dies entstand im Bauhaus, in materiellen, handwerklichen und industriellen Prozessen, die mit optisch immateriellen Bildverfahren zusammengeführt wurden.

„First we seek contact with material…”  so beschrieb Josef Albers sein pädagogisches Wirken am Bauhaus im Rückblick. In seinem Vorkurs arbeiteten die Studenten künstlerisch frei mit allen Arten von Materialen, um einen neuen Zugang zum Gestalten und Entwerfen zu entwickeln. Sinnlich und haptisch sollten die jungen Menschen die Welt begreifen, um sie neu denken zu können.

Was alles aber kann Material sein? Selbstverständlich zählen Papier, Holz, Glas und Textilien, Stahl und Metall sowie auch Beton dazu. Am Bauhaus experimentierten die Meister und ihre Studierenden aber auch mit Lauten, um die Substanz des Tones zu visualisieren, mit Licht und Schatten, um die Substanz eines Raumes zu gestalten und mit Bewegung, um die Substanz eines mechanisierten Körpers zu formen.

Die Bühnenwerkstatt reihte sich in die Abfolge von Metall-, Holz- und Textilwerkstatt ein und gemeinsam formten sie den Lehrplan der Hochschule für Gestaltung, wie sich das Bauhaus in den Dessauer Jahren nannte. Lernen als experimenteller Prozess mit der Vielfalt aller materiellen und immateriellen Substanzen.

Dabei war das Interesse am Material aber nicht nur pädagogisch motiviert. Das Engagement des Bauhauses für eine neue Objektkultur war auch der Versuch, die bereits damals global organisierte Herstellung der industriellen Güter wieder greifbarer werden zu lassen. Heute sind es digitale Prozesse und Smart Materials, die unsere Objektkultur formen. Und wie damals am Bauhaus ist auch heute die Debatte um die Substanz, um das Materielle versus des Immateriellen bei den Gestaltern und Architekten hoch aktuell. Intelligente Materialien passen sich veränderten Umweltbedingungen an, sind energieautark oder haben ein Formgedächtnis. Gemeinsam mit den digitalen Anwendungen verändern sie gemeinsam unsere Wahrnehmung auf die Dinge, auf ihre Substanz und ermöglichen neue Formen und Nutzungen.

Unter dem Jahresthema Substanz fokussiert die Stiftung Bauhaus Dessau auf den Dialog zwischen Material und Gestaltung. Es wird um die Substanz von Ideen, um Substanz als Stoff und Material aber auch um substanzielle Formen und den Erhalt von Substanz sowie um die Substanz des Bauhauses als Institution gehen. Ausgehend vom Verständnis des historischen Bauhauses zu Material und Substanz führt der Blick ins 21. Jahrhundert zur heutigen Rolle von Künstlern, Designern und Architekten als Mittler unserer materiellen Kultur.