Im Gespräch zum UNESCO Welterbe

Interview mit Prof. Dr. Jörg Haspel (JH), Landeskonservator, Direktor Landesdenkmalamt Berlin und Monika Markgraf (MM), Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Bauforschung und Denkmalpflege Stiftung Bauhaus Dessau.

Die UNESCO Welterbeliste zeichnet einzigartige Kulturdenkmäler aus. Welche Rolle spielt hier die Moderne?

JH: Wer das kulturelle Erbe der Moderne nicht kennt, kann die Gegenwart, in der wir leben kaum verstehen. Bereits in den 1990er Jahren haben die Verantwortlichen erkannt, dass Zeugnisse des letzten Jahrhunderts auf der Welterbeliste der UNESCO unterrepräsentiert sind und für deren verstärkte Berücksichtigung plädiert. Der Bundesrepublik Deutschland kommt im internationalen Vergleich mit den Bauhausstätten in Weimar und Dessau, der Zeche Zollverein in Essen und der Völklinger Hütte, den Siedlungen der Berliner Moderne, dem Fagus-Werk in Alfeld und der Speicherstadt mit Kontorhausviertel in Hamburg eine Sonderstellung zu – in keinem anderen Unterzeichnerstaat der UNESCO-Konvention sind mehr Stätten der Moderne in die Welterbeliste eingetragen.

MM: Architekturgeschichtlich steht die Moderne für eine radikale und nachhaltige Erneuerung, deren Bauten auch heute noch modern wirken. Wichtige Merkmale sind die Verwendung von experimentellen Baumaterialien und Technologien wie Stahlbeton oder große Glasflächen. Prägend ist der Ansatz, Funktionalität, Form und Konstruktion als Einheit zu betrachten sowie eine innovative Verbindung von Innen- und Außenraum. Schließlich bestimmt auch die Gestaltung der Oberflächen mit Struktur und Farbe in entscheidender Weise die Atmosphäre und Wirkung der Bauten der Klassischen Moderne mit ihrer reduzierten Gestaltung.

Die Triennale der Moderne verschafft der Architektur der Moderne eine breite Öffentlichkeit. Ist das heute im 21. Jahrhundert überhaupt noch nötig?

JH: Obwohl es einige Architekturikonen des 20. Jahrhunderts inzwischen geschafft haben, ein gewisses Interesse in der Fachöffentlichkeit zu erlangen, fehlt es oft an der breiten Resonanz, nicht zuletzt in der Touristikbranche. Die 2013 von Weimar, Dessau und Berlin gestartete „Triennale der Moderne“ versteht sich als Lobbyarbeit und als Initiative zu einem Netzwerk der Welterbestätten der architektonischen Moderne, das auch andere UNESCO-Welterbestätten des 20. Jahrhunderts  zur Mitwirkung und Mitwerbung einlädt.

In diesem Jahr ist die Triennale ganz bewusst Walter Gropius gewidmet. Was fällt Ihnen spontan zu Gropius ein?

JH: Walter Gropius ist der Architekt des 20. Jahrhunderts, der mehr als jeder andere moderne Baukünstler auf der Welterbeliste vertreten ist und als einer der Wegbereiter der Moderne für das UNESCO-Welterbe gelten darf. 

MM: Auch meine erste Assoziation ist sofort die des Welterbes: allen voran natürlich das Bauhaus und seine Stätten in Weimar und Dessau, u. a. weil hier von der UNESCO nicht nur Architektur von herausragender Qualität gewürdigt wurde, sondern auch das Bauhaus als Institution, von der wesentliche Impulse für die Erneuerung von Architektur, Design und Kunst ausgingen

JH: Natürlich aber verbindet sich der Name Walter Gropius auch mit dem Bauhausmanifest aus dem Jahr 1919 mit dem Gropius programmatisch das Ziel formulierte: „Das Bauhaus erstrebt die (…) Wiedervereinigung aller werkkünstlerischen Disziplinen – Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk – zu einer neuen Baukunst als deren unablösliche Bestandteile.“  Auch steht Gropius für das Totaltheater: die Vision, die Gropius in den 1920er Jahren gemeinsam mit dem Theatermacher Erwin Piscator entwickelte, sollte Bühne und Zuschauerraum vereinigen und die Besucher gemeinsam mit den Schauspielern zu Akteuren eines totalen Theaters zu machen.

MM: Ich möchte das Stichwort „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ einwerfen. Mit diesem Slogan, ist das Streben des Bauhauses nach Verschmelzung von Funktion und Ästhetik zu einer Einheit beschrieben. Entscheidend ist hierbei aber, dass für Gropius Gestaltung keiner bestimmten Form, etwa einem „Bauhausstil“ entsprechen, sondern aus der genauen Erforschung des Objektes entwickelt werden sollte.

In Dessau feiern Sie in diesem Jahr 90 Jahre Bauhausbauten. Was ist für Sie Frau Markgraf ganz persönlich das Besondere daran?

MM: Seit fast 20 Jahren betreue ich als Denkmalpflegerin die Bauhausbauten in Dessau. Das fasziniert mich bis heute, denn in Dessau erlebte das Bauhaus, nachdem es seinen Gründungort Weimar verlassen hatte, eine äußerst produktive Phase. 1926 wurden das Bauhausgebäude als „gebautes Manifest“ der Bauhaus-Ideen, die Meisterhäuser als Ort des Lebens und Schaffens der Bauhaus-Meister sowie die ersten Häuser der experimentellen Siedlung Dessau-Törten feierlich eröffnet. Darüber hinaus ist der Stadt eine Fülle weiterer Bauten von mit dem Bauhaus verbundenen Architekten entstanden. Damit ist Dessau eine Bauhausstadt, die nicht nur durch die Institution Bauhaus berühmt ist, sondern in der ein einzigartiges Ensemble der Bauhaus-Architektur zu entdecken ist.