Zur Geschichte der Meisterhäuser

Als das Bauhaus 1925 von Weimar nach Dessau übersiedelte, sicherte Oberbürgermeister Fritz Hesse dem Bauhausgründer Walter Gropius nicht nur die Finanzierung eines neuen Schulgebäudes zu, sondern versprach ihm obendrein auch eine Wohnsiedlung für die Bauhauslehrer, die sich seit Weimarer Tagen Meister nannten. Bereits ein Jahr später waren das Bauhausgebäude und die Meisterhäuser fertig und wurden zu Symbolen einer Gestaltungs- und Bildungsrevolution. Bis heute stehen sie weltweit für die weiße Moderne schlechthin.

Die Meisterhaussiedlung avancierte zum Inbegriff der Künstlerkolonie des 20. Jahrhunderts. Wegweisende künstlerische Arbeiten der Klassischen Moderne entstanden in den kubischen Wohn- und Atelierhäusern. Außerdem galt die Siedlung als eine Art Experimentallabor des Bauhauses für das neue Wohnen. Mit Walter Gropius, Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe lebten hier alle drei Bauhausdirektoren Tür an Tür mit den Bauhauslehrern Laszlo Moholy-Nagy, Lyonel Feininger, Georg Muche, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky sowie Paul Klee. Später kamen noch Anni und Josef Albers, Gertrud und Alfred Arndt, Gunta Stölzl sowie Lou und Hinnerk Scheper dazu.   

Mit dem Ende der Weimarer Republik, mit dem Ende der ersten Demokratie auf deutschem Boden verließen die Bauhausmeister und ihre Schüler ihre Dessauer Wirkungsstätte. Nach einem kurzen Intermezzo in Berlin löste sich das Bauhaus 1933 unter dem Druck der Nationalsozialisten auf. Viele Bauhäusler mussten emigrieren und sollten nie wieder nach Deutschland zurückkehren. Die Nazis empfanden die nun leergezogenen Meisterhäuser als „undeutsch“ und ließen sie überbauen. Als Dessau im Frühjahr 1945 bombardiert wurde, sanken auch das Direktorenhaus und die Meisterhaushälfte Moholy-Nagy in Schutt und Asche. Die übriggebliebenen Häuser überdauerten vermietet und fremdgenutzt auch die DDR-Jahre. Von der einstigen Bauhausarchitektur war längst nichts mehr zu sehen, sie wurde mit Gewalt gebrochen.

Mit der deutschen Einheit wendete sich das Schicksal für die Siedlung. Die Stadt Dessau war dank finanzkräftiger Geldgeber in der Lage, die verbliebenen Häuser Feininger (1994), Kandinsky/Klee (2000) und Muche/Schlemmer (2001) zu sanieren. Die Meisterhaussiedlung erhielt ihr Gesicht zurück, blieb aber Fragment. Jahrelang wurde darüber gestritten, ob und wie die zerstörten Häuser wieder aufzubauen wären. 2010 dann die Wende: Unter Beratung des englischen Stararchitekten David Chipperfield und weiterer Experten wurde beschlossen, die Meisterhäuser Gropius und Moholy-Nagy nicht 1:1 wieder zu errichten, sondern mit den Mitteln der zeitgenössischen Architektur zu rekonstruieren. Mit der Umsetzung betraut wurde das Büro Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin. Und so sind sie nun in einer innovativen Reduktion und in Abstraktion des Ursprungbaus wieder entstanden. Im Innern der Häuser realisierte der Künstler Olaf Nicolai eine Arbeit, die den ursprünglichen Dialog zwischen der Gropiusschen Architektur und den Bauhauskünstlern nachvollzieht. Statt Farbe: Licht! Auch die von Mies van der Rohe entworfene Trinkhalle, die aus einer Umgebungmauer auskragt, steht wieder an altem Platz.