Bauhausgebäude

Mit der Übersiedlung des Bauhauses von Weimar nach Dessau bot sich die einmalige Gelegenheit, einen Neubau als Schulgebäude zu errichten, der den Ideen der Bauhäusler*innen eine architektonische Form gab.

Stahl, Beton und Glas

„eisenbetongerippe mit ziegelmauerwerk. steineisendecken auf unterzügen, … sämtliche fenster aus doppelt überfälzten profileisen mit kristallspiegelglas … außenhaut zementputz mit keimscher mineralfarbe“ (Walter Gropius, 1926)

Die einzelnen Teile des Bauhausgebäudes sind in Größe und Höhe verschieden gestaltet und nach Funktionen getrennt. Eine zweigeschossige Brücke, die als Sitz der Verwaltung diente, verbindet den verglasten dreigeschossigen Werkstattflügel mit dem Gebäude der einstigen Gewerblichen Berufsschule. Den Übergang zum fünfgeschossigen Atelierhaus bildet ein eingeschossiger Zwischenbau, die sogenannte Festebene mit Vestibül, also der Eingangshalle, der Aula für Versammlungen und der Kantine. Im Atelierhaus (auch Prellerhaus genannt) befanden sich 28 Wohnräume für Studierende und Jungmeister*innen mit einer Größe von je 24 Quadratmetern. Heute können dort Besucher*innen übernachten.

Wegen der ungleichmäßig angeordneten Gebäudeteile lässt sich die ganze Gestalt des Bauhausgebäudes nur erfassen, wenn man den gesamten Bau umrundet. Eine zentrale Ansicht gibt es nicht.

Vor allem die Stahl-Glas-Fassade des Werkstattflügels markierte den Beginn des modernen Bauens in Dessau. Aufgrund neuartiger Baumaterialien und Konstruktionstechniken war es möglich, dass die Stahl-Glas-Fassade wie ein Vorhang um das Gebäude herumgezogen werden konnte. Die Glasflächen gewähren bis heute Einblicke in die Werkstatträume; die Gebäudekonstruktion ist sichtbar. Von innen öffnen sich großzügige Ausblicke in die Umgebung. Gropius wählte hochwertiges Kristallspiegelglas, um eine verzerrungsfreie Durchsicht und zugleich Spiegelungen zu erreichen.

Über eine eigene Architekturabteilung verfügte das Bauhaus erst ab 1927. Deshalb übernahm die Planung und Ausführung des Neubaus das private Büro von Walter Gropius – unter maßgeblicher Beteiligung der Mitarbeiter Carl Fieger, Ernst Neufert, Otto Meyer-Ottens und Bernhard Sturtzkopf. Zusammengearbeitet wurde vorwiegend mit regionalen Firmen. Am 4. Dezember 1926 konnte das Gebäude nach rund einem Jahr Bauzeit eröffnet werden.

Farbe als Material

Die Farbgebung wurde als ein wichtiger Bestandteil der Gebäudekonzeption in der Werkstatt Wandmalerei von Hinnerk Scheper entwickelt. Sie dient der Orientierung im Gebäude, betont die Gliederung der Architektur bzw. setzt sich an anderen Stellen darüber hinweg und lässt eigene Farbräume entstehen. Unterstützt wird die Farbwirkung durch die unterschiedliche Materialität und Struktur der Oberflächen.

Die Farbgebung, die aktuell im Bauhausgebäude zu sehen ist, entspricht weitestgehend dem historischen Entwurf. Grundlage für die Rekonstruktion bilden intensiven Untersuchungen von Farben und Oberflächen, die die Stiftung Bauhaus Dessau zwischen 1996 und 2006 durchführte.

An einer gelben Decke hängt eine Kugelleuchte von der Bauhäuslerin Marianne Brandt. Auf gleicher Höhe, oben an der Wand hängt ein Heizkörper.
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Treppenhaus, Werkstattflügel mit Marianne Brandts Kugelleuchte und Heizkörper, Bauhausgebäude, 2021
© Stiftung Bauhaus Dessau / © (Gropius, Walter) VG Bild-Kunst, Bonn 2023 / Foto: Meyer, Thomas, 2021 / OSTKREUZ

Stahlrohrmöbel, Leuchten und Türdrücker

Die Innenausstattung des Bauhausgebäudes entstand in den Werkstätten der Hochschule. Die Ausstattung des Lehrbetriebs sollte über ihren funktionalen Zweck hinaus die Leistungen und die Erneuerungsfähigkeit des Bauhauses zeigen und damit auch helfen, Kooperationen mit der Industrie anzubahnen. So waren etwa Aula, Speisesaal, Direktorenzimmer und Studierenden-Ateliers mit Stahlrohrmöbeln von Marcel Breuer ausgestattet. Die Raumgestaltung übernahm die Werkstatt für Wandmalerei von Hinnerk Scheper. In der Metallwerkstatt unter der Leitung von László Moholy-Nagy entwarfen Marianne Brandt, Hans Przyrembel und Max Krajewsky Leuchten. Walter Gropius selbst schuf die Türdrücker.

Marianne Brandt arbeitete in Dessau bereits in der Entwurfsphase eng mit der Industrie zusammen. Über 100 ihrer Lampenentwürfe wurden industriell hergestellt und waren im Verkauf überaus erfolgreich.

Drei Personen sitzten mit Masken auf der Treppe im Bauhausgebäude.
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Maskierte Teilnehmer des Festivals Schule FUNDAMENTAL, auf der Treppe im Bauhausgebäude, 2019
© Stiftung Bauhaus Dessau / © (Gropius, Walter) VG Bild-Kunst, Bonn 2023/ Foto: Meyer, Thomas, 2019 / OSTKREUZ

Zerstörung und Instandsetzung

Nach der Schließung des Bauhauses 1932 durch die Stadt Dessau und auf Veranlassung der NSDAP wurde das Gebäude nicht wie zunächst vorgesehen abgerissen, sondern zur Nachnutzung angepasst. Es diente unter anderem als Landesfrauenarbeitsschule und Amtswalterschule für den Gau Magdeburg.

Im März 1945 wurde das Gebäude beim Bombenangriff auf Dessau getroffen. Die feingliedrige Stahl-Glas-Fassade war so beschädigt, dass sie größtenteils abgenommen werden musste. Nach 1945 wurde das Gebäude notdürftig instandgesetzt. Man verfüllte die Geschosszwischenräume mit dünnen Ziegelmauern und setzte Holzfenster ein. Im Werkstattflügel waren nun Werkstätten für die Ausbildung im Baugewerbe, eine Lehrbaustelle für das Maurer- und Zimmerhandwerk und eine Gymnastikhalle untergebracht.

Der Weg zum Weltkulturerbe der UNESCO

Zwischen 1955 und 1962, im Jahr 1976 sowie während der Generalsanierung zwischen 1996 und 2006 kam es zu Veränderungen in der Gebäudesubstanz. Im Jahr 1964 wurde das Bauhausgebäude in die „Liste 1 denkmalwerter Bauten der DDR“ aufgenommen. Zum 50. Jahrestag der Eröffnung des Bauhauses in Dessau im Jahr 1976 wurde mit dem ursprünglichen Erscheinungsbild des Gebäudes auch die Fassade nach dem denkmalpflegerischen Verständnis der DDR wiederhergestellt. Dabei ersetzte eine Aluminium-Glas-Konstruktion die ehemalige, im Krieg zerstörte Stahl-Glas-Fassade. 1996 wurde das Bauhausgebäude in die Liste der UNESCO-Welterbestätten aufgenommen. Es erhielt damit den Rang eines außergewöhnlichen, universellen Wertes.

Nutzung und Erhaltung

Ein Gebäude, in dem gearbeitet und das jährlich von Hunderttausenden Tourist*innen und vom Fachpublikum besucht wird, zeigt vielfältige Abnutzungserscheinungen. Auch ungünstige Witterungseinflüsse zehren an der Substanz. Die Auswirkungen des Klimawandels stellen besondere Anforderungen an den Umgang mit der schützenswerten Gebäude- und Bausubstanz. Dafür müssen ständig Pflege- und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden und wissenschaftliche Erkenntnisse fortwährend überprüft und aktualisiert werden. Dabei ist auch die Geschichte der Sanierung selbst von großem Interesse.

Seit 2020 wird die Glasfassade in einer langfristig angelegten bauphysikalischen Beobachtung überwacht. Klimadaten werden erhoben, Risse und Bewegungen am Tragwerk beständig überwacht.

Im sonnendurchfluteten Flurraum des Bauhausgebäudes sieht man eine Reinigungskraft, die bedächtig den Fussboden mit einem Wischgerät reinigt.
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Reinigungskraft im Werkstattflügel, Bauhausgebäude, 2021
© Stiftung Bauhaus Dessau / © (Gropius, Walter) VG Bild-Kunst, Bonn 2023 / Foto: Meyer, Thomas, 2021 / OSTKREUZ